buchtipp
Jehan Sadat: Meine Hoffnung auf Frieden


Sicht der Dinge häufig zu naiv
 


VON MICHAEL RÖSENER

Zwischen Kairo und Washington

In einem persönlichen Rückblick setzt Jehan Sadat
auf Frieden und Dialog.

Jehan Sadat: Meine Hoffnung auf Frieden

Jehan Sadat war die erste Gattin eines muslimischen Staatsoberhauptes, deren Bild in der Presse abgedruckt wurde. Als sie bei einem Empfang ausländischer Botschafter in Kairo an der Seite ihres Ehemannes in der Öffentlichkeit erschien, kam dies einer kleinen Revolution in der islamischen Welt gleich.

Die seit über 20 Jahren in der Nähe Washingtons lebende Sadat wurde eine der engagiertesten Streiterinnen für die Rechte der Frauen in muslimischen Ländern. In zahlreichen Initiativen setzte sie sich für soziale Gerechtigkeit ein und trat als Vermittlerin zwischen der arabischen Welt und Israel das Erbe ihres Mannes an, der 1981 von Extremisten für seinen Friedensschluss mit Israel ermordet wurde.

Mit ihrem gerade erschienenen Buch verbindet die nun fünfundsiebzigjährige eine persönliche Rückschau auf die Stationen ihres Lebens mit dem eindringlichen Appell für einen Dialog zwischen westlicher und islamischer Welt. Beharrlich klärt sie darin westliche Vorurteile über die islamische Religion auf. Sie widerlegt Klischees, wonach der Islam demokratiefeindlich sei, als militanter Glaube zum Terrorismus anstifte oder gar eine Einheit bilde, die sich gegen den Westen in einem Kampf der Kulturen verschworen habe. Am ärgerlichsten ist Sadat über die verbreitete Ansicht, der Islam sei frauenfeindlich. Hier unterscheidet sie deutlich zwischen den überlieferten Bräuchen und der eigentlichen Religion. "Menschen, nicht der Islam, beschneiden Frauenrechte", ist in diesem Sinne eine der prägnantesten Bemerkungen des Buches. In dem Kapitel, das den Frauenrechten gewidmet ist, entwickelt das Buch dementsprechend am meisten Tiefgang und Dynamik. Hier gibt Sadat den Lesern Einblick in die lange währende Diskussion um das Thema, unterlegt ihre Thesen mit Textstellen aus dem Koran und gibt konkrete Beispiele aus dem islamischen Familienrecht, dessen Reform sie selbst 1979 in Ägypten mit vorantrieb. Die lange Reihe der ägyptischen Frauenrechtlerinnen seit Huda Schaarawi, die 1923 die Ägyptische Frauenunion gründete, vermittelt ein beeindruckendes Bild von der feministischen Tradition am Nil, in der auch Jehan Sadat sich verwurzelt sieht.

Getrübt wird der Eindruck des Buches, wenn sie die beschriebenen Klischees pauschal einer vermeintlich einseitigen Berichterstattung und Bildproduktion der westlichen Medien zuschreibt, die angeblich einer anti-islamischen Tradition folgen würden. Demgegenüber vereinfacht Sadat zentrale Widersprüche in der islamischen Gesellschaft. Ehrenmorde werden nicht erwähnt. Zwangsehen finden laut Sadat überhaupt nicht statt, da sie vom islamischen Recht ausgeschlossen seien und islamistische Selbstmordattentäter werden leichtgläubig als vom wahren Weg abgekommene beschrieben. Insgesamt bezieht sich Sadat beständig auf die wahren Lehren des Propheten und die wirklichen Aussagen des Koran, gegen die radikale Islamisten verstoßen würden. Doch auch Sadat kann in diesem Bereich nicht mehr tun, als das gegebene Textmaterial in ihrem Sinne auszulegen. Mit ihrer Interpretation des Islam als rein friedliche, gerechte und teilweise sogar emanzipatorische Religion verliert sie die widersprüchliche Realität das ein oder andere Mal aus den Augen.

Alles in allem pendelt das Buch unentschlossen zwischen den Polen persönliche Rückschau und Politessay. Für einen Rückblick auf ihr Leben ist es an vielen Stellen zu hochtrabend moralisch und appellativ, für einen historischen Abriss, oftmals zu oberflächlich und manchmal sogar naiv. Der deutschen Ausgabe steht ein lohnendes Vorwort des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmitt Pate, in dem dieser mit unverkennbaren Worten für religiöse Toleranz und Respekt plädiert.

Jehan Sadat: Meine Hoffnung auf Frieden.
Hoffmann und Campe Verlag, www.hoffmann-und campe.de, Hamburg 2009.... Das Buch.