buchtipp
Franz Walter, Gelb oder Grün


Zünglein an der Waage: FDP oder Grüne
 

VON MICHAEL RÖSENER

Politikwissenschaftler befasst sich mit den kleinen Koalitionspartnern
Franz Walter, Gelb oder Grün

Nachdem Franz Walter im vergangenen Jahr bereits einen Essay über die Krise der Volksparteien veröffentlicht hat, beschäftigt sich der Göttinger Politikwissenschaftler nun mit den Alternativen in der parlamentaristischen Mitte Deutschlands.

FDP und Grüne stehen im Zentrum der Arbeit, und beide Parteien, die sich im politischen Alltag wie Feuer und Wasser zu begegnen scheinen, betrachtet Walter in ihrer unfreiwilligen Gemeinsamkeit als Repräsentanten eines Teils der besserverdienenden Mitte in Deutschland. Grundlage und formellen Rahmen bildet eine in groben Zügen dargelegte Geschichte der beiden Parteien, wobei sich Walter auf Entstehung und ideologischen Hintergrund, die primär angesprochenen Wählerschichten, die Erfolge, Brüche und Niederlagen der Parteien bezieht.

So verfolgt er die Anfänge der Liberalen bis in die Zeit unter Bismarck zurück, in der sich mit Individualität, Bildung und der Orientierung am Privateigentum die Grundwerte des liberalen Bürgertums herausbildeten. Mangel an Visionskraft lies die Liberalen aber bald in eine Krise gleiten, die bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs reichte. In der Nachkriegszeit regierte dann aber keine Partei länger als die FDP, die sich als Zünglein an der Waage Optionen sowohl für eine Koalition mit den Christ-, wie auch den Sozialdemokraten offen hielt. Doch auch diese moderne Flexibilität jenseits von zementierter Parteienideologie barg eine Gefahr, mit der die Liberalen infolgedessen zu kämpfen hatten. Sie galten vielen Wählern als machtorientierte Umfallerpartei, ohne feste Prinzipien. Positionswechsel zugunsten einer Regiegungsbeteiligung wirkten sich verheerend z.B. durch Parteiaustritte aus. So 1982, als die FDP mitten in der Legislaturperiode eine neue Koalition mit der CDU/ CSU bildete, wodurch sie ein Viertel ihrer meist jungen Mitglieder, und damit ihren Führungsnachwuchs, verlor. Dann versuchten sich die Liberalen mit mäßigem Erfolg als Protest- oder Eventpartei, der der kalkulierte Tabubruch immer mal wieder zur Erregung öffentlichen Interesses diente. Auch unter Westerwelle fehlte es der FDP an Visionen, die es braucht um Wähler nachhaltig zu binden, zumal es der FDP häufig nicht einmal gelang ihr Ziel von Steuerreformen, die man stets verlangte, in der Regierung auch durchzusetzen.

Mehr visionäre Strahlkraft konnten dagegen die Grünen aufbringen, die Anfang der 80er Jahre mit Petra Kelly eine Ikone der Gegenkultur an ihrer Spitze hatten. Obwohl die Zeiten klassischer Milieus als Fundament der Parteien bereits in den 60er Jahren abgelaufen war, schafften es die Grünen infolge der 68er-Bewegung die soziale Gruppe junger Menschen anzusprechen, die sich gesellschaftlich abgedrängt fühlten. Die Grünen wurden zu dem, was oft als Generationenpartei beschrieben wurde. Diese zunächst unangepasst, rebellische Generation, die jedoch mit hoher Bildung, Flexibilität und viel Motivation die entscheidenden Eigenschaften für den gesellschaftlichen Aufstieg besaß, fügte sich denn auch über die Jahre mitsamt ihrer Partei in die Gesellschaft ein. Unterdessen sind die Grünen selbst für die CDU zu einem möglichen Koalitionspartner geworden.

Beide Parteien, FDP und Grüne, haben nach Walter mit dem Phänomen des "untreuen Wählers" zu kämpfen, der sich nicht mehr ideologisch bindet, sondern je nach persönlicher Situation und Laune die politischen Lager zu wechseln bereit ist. Franz Walter sieht Deutschland am Beginn einer notwendigen Diskussion über die Zukunft des Parlamentarismus in Deutschland und hat mit dem jetzt vorgelegten Essay erneut komprimierte und faktenreiche Denkanstöße dafür geliefert.

Franz Walter, Gelb oder Grün, Kleine Parteiengeschichte der besserverdienenden Mitte in Deutschland. transcript-Verlag www.transcript-verlag.de, Bielefeld, 2010.......... Das Buch.